Die neue Gebührenordnung für Tierärzte beschert vielen Tierhaltern schlaflose Nächte. Denn der Gang zum Veterinär wird ab dem 22. November drastisch teurer. Für gängige Untersuchungen sind teilweise Preiserhöhungen von über 160% vorgesehen.
Die Anpassung der GOT kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Preise für Kraftstoffe und Energie explodieren, Lebensmittel verteuern sich wöchentlich, die Inflation spielt verrückt. Und jetzt tritt noch die im Mai 2022 beschlossene Neufassung der Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft, die eine regelrechte Kostenexplosion verursacht. Die Impfungen für Katzen und Hunde kosten künftig 100 % mehr (11,50 EUR statt 5,77 EUR), eine einfache Untersuchung von Katzen verteuert sich um 163 % (von 8,98 auf 23,62 EUR), die von Hunden um 75 % (von 13,47 auf 23,62 Euro). Pferdebesitzer müssen bei einfachen Untersuchungen mit einer Teuerung von 60 % zurechtkommen.
Letzte GOT Anpassungen 2017 und 2021
Tierärzte beklagen, dass die letzte Änderung der Tierärztegebührenordnung 1999 stattfand und eine erneute Anpassung längst fällig war. Dabei wurde sowohl 2008 als auch 2017 der 1-fache Gebührensatz pauschal um 12% erhöht. Und die Gebührensätze für die Beratung von Nutztierhaltern stiegen vor fünf Jahren um 30%. 2020 wurde die Notdienstgebühr erhöht und die Notdienstzeit neu geregelt.
Studie im Auftrag des Ministeriums
Grundlage für die aktuell beschlossene GOT ist ein Gutachten zu tierärztlichen Leistungen und ihrer Abrechnung, das das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Mai 2020 in Auftrag gegeben hat. An der Studie nahmen Experten aus den Standesvertretungen der Tierärzte, Tierhalterverbänden, der Wissenschaft und Verwaltung, aus Unternehmen und Versicherungen sowie niedergelassene Tierärzte teil. Zusätzlich wurde eine bundesweite Online-Umfrage unter 1.300 praktizierenden Veterinär:innen durchgeführt. Die Befragten sahen eine dringende Notwendigkeit, die GOT an den veterinärmedizinischen Kenntnisstand, die modernen Behandlungsmöglichkeiten und die wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen.
Tierärzte: Gebührensteigerung nicht ausreichend
Das Ergebnis der Studie und den darauffolgenden Beschluss des Bundesrats begrüßen die Bundestierärztekammer (BTK) und der Bundesverband praktizierender Tierärzte e. V. unisono. Doch obwohl die Preiserhöhung in weiten Teilen der GOT horrend ist, fällt sie nach Meinung der Tierärzteverbände nicht ganz so hoch aus, wie es notwendig wäre. Die neue GOT berücksichtigt nämlich den dramatischen Anstieg der Energiepreise und die galoppierende Inflation nicht, so die Kritik.
Tierschutzbund: Preiserhöhung bedroht die Tiere
Doch selbst wenn die neue Preisliste der Tierärzte die gestiegenen Energiekosten und die Inflation außer Acht lässt, ist die Belastung für Tierhalter:innen enorm. Der Deutsche Tierschutzbund warnt ausdrücklich davor, dass es für die Tiere gefährlich sei, wenn Frauchen und Herrchen notwendige Behandlungen aus Spargründen ausfallen lassen. Wegen steigender Behandlungskosten könnten Tiere abgegeben oder ausgesetzt werden, weil Tierhalter finanziell überfordert sind, so eine Sprecherin. Das würde die ohnehin angespannte Situation der Tierheime zusätzlich verschärfen. Außerdem betrifft die neue GOT gleichermaßen die Tierheime, die aufgrund der höheren Tierarztkosten der aufgenommenen Tiere in finanzielle Schieflage geraten könnten.
Die ursprüngliche Idee der GOT
Wer sich mit der Gebührenordnung für Tierärzte näher beschäftigt, wird zuerst mit ihren erhabenen Zielen konfrontiert. Die Idee der GOT – entstanden im Jahr 1940 – war:
- die Tierhalter vor überteuerten Abrechnungen zu schützen: keine Wucherpreise
- Transparenz über die Tierarztkosten zu schaffen: Gewissheit über einen klar abgesteckten Kostenrahmen
- aggressiven Preiswettbewerb zu verhindern, um die Qualität der Behandlung sicherzustellen: keine Dumpingpreise
- fundierte Grundlage zur Abrechnung tierärztlichen Leistungen festzulegen: leichtere Kalkulation
So weit so gut.
Die Schwächen der Tierärztegebührenordnung
Nur leider lässt die Gebührenordnung so viel Spielraum zu, dass eine einfache Nachfrage beim Tierarzt, was seine Dienstleistung kosten soll, nicht eindeutig zu beantworten ist. Die GOT steckt vielmehr einen Gebührenrahmen ab: vom mindestens einfachen bis maximal vierfachen Satz. Transparenz? Fehlanzeige! Wie hoch seine Rechnung ausfällt, darf der Tierarzt nach eigenem Ermessen entscheiden. Nur unterschreiten darf er die Gebührensätze nicht (außer bei Kastration freilebender Katzen). Das wäre wettbewerbsverzehrend und abmahnfähig. Die Konsequenz ist aber, dass der Veterinär selbst bei sozialschwächsten Patienten, die sich unerwartet hohe Tierarztkosten nicht leisten können, keine Ausnahmen machen darf. Und Schutz vor überteuerten Abrechnungen funktioniert auch nur in der Theorie. Denn nach der aktuellen Anpassung der GOT schlagen auch Routine-Eingriffe ordentlich zu Buche. So kann eine Kastration bei Hündin zwischen 281,58 EUR (einfacher Satz) bis zu 1126,32 EUR (vierfacher Satz) kosten. Eine Wundbehandlung inkl. Nähen, Injektionen und Folgeuntersuchung zaubert zwischen 338,65 EUR und 1354,60 EUR auf der Rechnung.
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Im Dickicht der Gebührensätze
Tierärzte müssen nicht streng nach den vorgegebenen Gebührensätzen abrechnen. Für ihre Kalkulation ist es üblich, den 1,6-fachen oder 1,8-fachen Satz zu verwenden. Das macht die viel beschworene Transparenz wieder zunichte.
Wovon hängt die GOT ab?
Wer Tierarztkosten besser nachvollziehen will, muss mehrere Faktoren berücksichtigen. Dazu gehören:
- Wert des Tieres (wer sich eine teure Rasse leistet, muss bei der Tierarztrechnung meist tiefer in die Tasche greifen, als der Halter eines Mischlings)
- Verhaltensauffälligkeiten (gestresstes, widerspenstiges oder aggressives Tier): Damit bestraft man Menschen, die traumati
- Komplikationen während der Behandlung
- Zeitaufwand
- Einsatz am Wochenende, an einem Feiertag oder in der Nacht
- Ausstattung der Tierarztpraxis
- Facharzt-Behandlung (ein Spezialist für bestimmte Erkrankungen kann den 3-fachen Satz verlangen)
- Standort (Stadt ist meist teurer als Land)
- Mietkosten.
Was kannst Du selbst tun?
Um unnötige Tierarztbehandlungen zu vermeiden und Verantwortung für die Gesundheit Deines Fellfreundes zu übernehmen, kannst Du Einiges tun. Vollwertige, artgerechte Ernährung mit guten Futterergänzungsmitteln ist die Basis für ein gesundes Tierleben. Je natürlicher die Nahrung, desto besser. Billiges Industriefutter führt sehr häufig zu gesundheitlichen Problemen, wie Organinsuffizienz, Allergien, Tumore oder Mangelerscheinungen. Auch unnötige Chemie wie reguläre Entwurmung, Antibiotika und Schmerzmittel auf Verdacht (also ohne Diagnose, bloß zur Symptomunterdrückung) sollst Du vermeiden – das greift die Darmflora an und macht sie durchlässig gegen Keime und Parasiten. Unnötige Medikamentengabe belastet die Organe.
Kann man die neue GOT umgehen?
Die Gebührenordnung für Tierärzte ist leider bindend. Selbst ein sehr spendabler und mitfühlender Arzt würde sich strafbar machen, wenn er die geltende Preisliste unterschreitet. Bei besonders hohen Tierarztkosten kannst Du den behandelnden Veterinär aber um eine Ratenzahlung bitten. In Härtefällen kannst Du einen Tierarzt suchen, der neben seiner beruflichen Tätigkeit auch ehrenamtlich arbeitet. Es lohnt sich ebenfalls eine Tierkrankenversicherung in Betracht zu ziehen. Solide Versicherer erstatten alle Kosten unabhängig vom angewendeten GOT-Satz. Manchmal helfen auch Hilfsorganisationen, Tierheime oder Privatpersonen dabei, durch Spendenaufrufe die nötige Summe mit gemeinsamen Kräften wohltätiger Menschen zu sammeln.
Fazit
Auch wenn die neue GOT die Existenz vieler Tierarztpraxen rettet, Tierliebhabern kommt sie sehr teuer zu stehen. Die drastische Preiserhöhung für tierärztliche Dienstleistungen birgt die Gefahr, dass viele kranke Tiere erst gar nicht vorstellig werden – auf Angst ihrer Halter vor hohen Rechnungen. Die Gebührenordnung für Tierärzte lässt auch einen zu großen Spielraum für die Kostengestaltung zu und grenzt sozial Schwache aus, da es den Ärzten nicht möglich ist, selbst in Härtefällen die GOT-Sätze zu unterschreiten.